Tom Ischganeit erfüllt sich in Fieberbrunn einen Lebenstraum.
Tom trainiere ich mittlerweile schon seit 2019. Zunächst lag für den ehemaligen Basketballer sein Ziel im Triathlon und hier sollte für den Eckersmühlener seine erste Langdistanz beim Challenge Roth in Erfüllung gehen. Corona hat das ganze dann um 1 Jahr auf 2021 geschoben und hier konnten wir Tom erfolgreich über die Finishline bringen.
Im Nachgang erzählte mir Tom dann von seinem Traum Trails zu laufen und hier auch mal an einem Rennen >100 Meilen teilzunehmen und fragte mich, ob er das schaffen könnte.
Solche Ultrarennen hängen immer auch an der körperlichen Konstitution, man muss im Training viel Laufen, die Strukturen eine hohe mechanische Belastung aushalten. Im Vorfeld weiß man nie, ob der Körper dabei Mitspielt, aber wenn man nicht auf die Reise geht, wird man es auch nie erfahren.
So entwickelten wir den Plan über 3 Jahre hinweg Tom soweit aufzubauen, um an einem Ultratrail erfolgreich teilzunehmen.
Es ging los im in der Saison 2022 hier noch paralell mit etwas Triathlon Training für die MD in Podersdorf.
Aber auch schon die ersten erfolgreichen Teilnahmen beim Chiemgau Trail und dem Hochkönigman über 85km mit 5200hm als Highlight.
2023 folgten der Chiemgau Ultra über 60km und 6000m hm, sowie das Südtirol Skyrace über 63km und knapp 5000hm. Bei den den Taubertal 100 erlitten wir einen kleinen Rückschlag und mussten nach der Hälfte den Lauf beenden. Das war kein guter Tag.
Dann kam die Saison 2024.
Mit dem KAT 100 in Fieberbrunn war das Highlight festgelegt. 173km mit fast 10000hm.
Als Vorbereitung der Zugspitz Ultra mit 105km und 5500hm.
Wir begannen Anfang November 2023 mit der Vorbereitung. Die ersten Trainingswochen verliefen wie gewünscht und unauffällig, die erste Diagnostik zeigte bereits ein stabiles Bild. Dann kam Weihnachten und dann die Nachricht von Tom, dass er einen Bandscheibenvorfall erlitten hat. Was für eine Sch….!:(
Aber es war gerade Januar, Zugspitz Ultra Mitte Juni, Fieberbrunn Anfang August. Noch war nichts verloren, aber wir konnten auch erst mal nicht Laufen geschweige denn trainieren, wie wir das eigentlich vorhatten.
Nachdem die akuten Schmerzen abgeklungen waren, hielten wir Tom aber von Anfang an in Bewegung.
Tägliche Spaziergänge, teilweise 2-3x am Tag, lockers Rollen auf dem Smarttrainer sollten ihn schmerzfrei in Bewegung halten, Reha dafür sorgen, dass die Rumpfmuskulatur die Wirbelsäule stabilisiert.
Ende Februar dann wieder die ersten vorsichtigen wirklichen Läufe und nachdem wir gesehen haben, dass diese schmerzfrei und gut machbar waren, haben wir wieder Schritt für Schritt aufgebaut.
Natürlich nicht, wie wir das eigentlich zu dieser Zeit schon wollten, aber der 3-jährige Aufbau hat sich gelohnt, Routine, Stabilität und vor allem Vertrauen gegeben, das Ziel noch erreichen zu können.
Nach dem die Generalprobe beim Zugspitz-Ultra Mitte Juni dann auch gut und sehr erfolgreich geklappt hat, konnte es Anfang August in Fieberbrunn losgehen.
Nach etwa 41h, 173km und nahezu 10000hm konnte sich Tom seinen Lebenstraum vom Ultratrail erfüllen und ich bin sehr stolz, dass ich ihn dabei begleiten durfte!
Eine wahnsinnige Leistung Tom, ich freue mich sehr für Dich!:)
Hier Tom’s Rennbericht:
Tja, wie fängt man einen Rückblick auf einen erfüllten Lebenstraum eigentlich an? So richtig weiß ich auch knapp 1 Woche nach dem KAT100 in Fieberbrunn nicht, was ich dazu sagen soll. Ich habe immer wieder Flashbacks und werde beim Gedanken an diese außergewöhnli-che Veranstaltung immer noch sofort emotional. Beginnen wir doch mal mit den harten Fak-ten: 174 Kilometer mit etwa 10.000 Höhenmetern zu Fuß durch die Kitzbüheler Alpen.
Wie kommt man auf so eine Idee werde ich immer wieder gefragt? Im Oktober 2021, kurz nach der Tour de Tirol, hat mir eine damals gute Freundin einen Flyer von einem 100-Meilen-Lauf geschickt. Sie fragte in ihrer Mail leicht scherzhaft, ob das nicht was für mich wäre? Nachdem ich eine Woche darüber nachgedacht hatte, habe ich Matthias gefragt, ob er das mit einer Vorbereitungszeit von 3 Jahren für machbar hält. Naja, und wenn er nein gesagt hätte, würdet ihr diese Zeilen hier nicht lesen.
Im November 2021 begann also diese unfassbare Reise, die am ersten Augustwochenende 2024 im KAT100 gipfelte. Gestartet wurde am 01.08.2024 um 18 Uhr bei besten Bedingungen in Fieberbrunn, denn ein heftiger Regenguss während des Briefings zwei Stunden zuvor hatte die Schwüle vertrieben und für ein wenig angenehmere Temperaturen gesorgt. Von Fieberbrunn aus ging es direkt die ersten 1400 Höhenmeter hoch zum Wildseeloderhaus und dem ersten VP. Ich fand schnell meinen Rhythmus und fühlte mich fantastisch. Außerdem war ich froh, dass es endlich losging.
Vom Wildseeloderhaus ging es wieder nach unten Richtung Hochfilzen, wo der Rest der Fa-milie meine Ankunft bereits erwartete. Von dort ging es über das Jakobskreuz durchs Piller-seetal nach Waidring. Bei Kilometer 50 gab es dort den ersten von insgesamt drei Dropbags und die Familie hatte sich extra mitten in der Nacht aufgemacht, um mich dort zu unterstüt-zen. Der „einfache“ Teil der Strecke lag damit hinter uns und von jetzt an ging es entweder steil bergan oder steil bergab.
Den Rest der ersten Nacht verbrachte ich weitgehend allein joggend oder wandernd zwischen Waidring und Sankt Johann in Tirol. Es blieb trocken, kühlte noch ein wenig ab und ich kam sehr gut voran, so dass ich auch in Sankt Johann noch deutlich vor den gefürchteten Cut-Off-Zeiten lag. Nach dem VP in Sankt Johann bei Kilometer 72 ging es dann auf das Kitzbü-heler Horn hinauf. Auf den ersten 5 Kilometern wies mich meine Uhr freundlich darauf hin, dass die durchschnittliche Steigung wohl 20 Prozent betrug. Was ein Anstieg! Aber auch die-ser Berg vermochte mich nicht klein zu kriegen und nach einem für meine Verhältnisse ra-santen Abstieg in Richtung Kitzbühel traf ich dort bei Kilometer 92 gegen Freitagmittag meine Familie wieder. Hier stand dann ein Schuhwechsel (inkl. Socken) an und auch der Rest der Klamotten war reif für die Waschmaschine bzw. würde anderswo im Kamin verbrannt wer-den.
Mit reichlich Vorsprung vor dem Zeitlimit nahm ich dann die letzten 80 Kilometer in Angriff, also nicht mal mehr zwei Marathons! Die Strecke zog an mir vorbei und ich hatte weiterhin keinerlei Probleme, weder psychisch noch physisch. In Jochberg bei Kilometer 121 wartete dann schon wieder meine Familie auf mich, die mir ein Stück entgegengewandet war. Dar-über habe ich mich außerordentlich gefreut, denn zwischendrin war die Einsamkeit, ich lief seit Kilometer 50 weitgehend allein, schon ein wenig bedrückend und ich erfreute mich an der Gesellschaft meiner Kids und meiner Frau.
Kurz nach dem VP in Jochberg zog dann ein sehr heftiges Gewitter auf, aber auch hier war der Ultragott mal wieder auf meiner Seite, denn ich fand einen Platz zum Unterstellen und wurde nicht ganz so nass, wie einige meiner Mitstreiter. Nun ging es an einem wunderbaren Wasserfall vorbei auf eine kleine Extrarunde zwischen Kilometer 130 und 140. Das Unwetter schien einen Großteil der Wegweiser weggeweht zu haben, denn die eigentliche Strecke war nicht mehr zu erkennen. Die Wolken auf knapp 2100 Metern Höhe taten ihr Übriges und ich verlief mich tatsächlich.
Das Glück ist ja aber bekanntlich mit den Tüchtigen und so sah ich nach kurzer Zeit einen anderen Läufer auf der anderen Seite eines kleinen Tals. Auf Zuruf wartete dieser auf mich und lotste mich sicher den Berg herunter. Durch den vorhergehenden Regen waren jetzt aber leider die Schuhe und Socken komplett durchnässt und das Laufen wurde ein wenig schmerzhaft. Wer schon mal lange in der Badewanne saß, der hat eine ungefähre Vorstellung davon, wie meine Füße aussahen. So funkte ich mitten in der Nacht meine Frau an und bat sie, mir trockene Schuhe zur nächsten VP mitzubringen, an der wir uns ohnehin verabredet hatten.
Bei Kilometer 150 kam diese VP dann und nach einem dringend benötigten 40-minütigen Ni-ckerchen mit dem Kopf auf dem Schoß meiner Tochter, einer Fertigsuppe und komplett neu-er Bekleidung ging ich nach wie vor motiviert auf die letzten 24 Kilometer. Auch am letzten Anstieg wieder hoch in Richtung Wildseeloderhaus hatte ich noch kräftige Beine. Es regnete zwar etwa 2 Stunden wie aus Kannen und die Schuhe samt Socken waren schnell wieder durchgeweicht, aber ich wusste, dass das Ziel in Reichweite war und ließ mich davon nicht mehr beirren. Auch die Kälte und der Wind konnten mir nichts anhaben, wenngleich zu einer handfesten Unterkühlung wahrscheinlich nicht mehr viel gefehlt hat.
Etwa 10 Kilometer vor dem Ziel übermannten mich dann erstmals meine Emotionen, denn da realisierte ich das erste Mal, dass sich mein Lebenstraum nun gleich erfüllen würde. Die letz-ten drei Jahre voller Entbehrungen, meine Rückenverletzung im Januar und all die Momente, in denen die Balance zwischen Berufsleben, Privatleben und dem Leben als Sportler all mei-ne Disziplin und all mein Organisationstalent erforderten, kamen mir da in den Sinn.
Unter dem Strich stehen am Ende 173 Kilometer und mehr als 10.000 Höhenmeter in etwa 41 Stunden (brutto). Ich habe tatsächlich jeden Moment dieser dreijährigen Reise genossen und auch der Wettkampf hat meine Erwartungen am Ende noch übertroffen. Ich bin stolz auf mich und meine Leistung und habe, nicht nur während des Wettkampfs, gelernt, dass ich die beste Familie der Welt habe, die mehrfach mitten in der Nacht aufgestanden und durch das verschlafene Tirol gefahren ist, nur um mich zu unterstützen. Die drei von der Chaos-Crew werden nie wissen, wie viel mir das bedeutet hat und wie viel Kraft ich daraus gezogen haben. Es ist schön zu wissen, dass ich mich immer auf euch drei verlassen kann und ich bin sehr stolz, dass ihr diesen Weg mit mir gegangen seid!
Knapp eine Woche nach dem Wettkampf haben sich bis dato zwei Zehennägel verabschiedet und auch die kleineren Blessuren in Form von der einen oder anderen Blase am Fuß oder einem leicht geschwollenen rechten Knie sind weitgehend abgeheilt. Ich habe sogar schon wieder Lust aufs Laufen. Unglaublich aber wahr.
Entscheidenden Anteil an diesem absolvierten Wettkampf hat nicht zuletzt der Matthias. Er hat mich in den letzten drei Jahren extrem gut auf den Hauptwettkampf vorbereitet. Mit ruhiger Hand saß er die ganze Zeit am Ruder, hat das Ziel nie aus den Augen verloren und das Schiff auf Kurs gehalten. Auch nach der Rückenverletzung Anfang des Jahres ist er nicht nervös geworden, sondern hat mit seiner entspannten und doch bestimmten Art dazu beigetragen, dass ich meinem Körper wieder vertraue und ich mich wieder voll auf das Training einlassen kann. Mit ihm hatte ich die letzten drei Jahre einen absolut verlässlichen Partner an meiner Seite, der durch seine abwechslungsreichen Trainingspläne dafür gesorgt hat, dass es mir unterwegs nicht langweilig wird. Ich hätte diese Reise mit niemand anderem an meiner Seite machen wollen. Ich habe in den vergangenen drei Jahren mit großem Vergnügen sklavisch (daher der Titel) seine Vorgaben umgesetzt und die Ergebnisse sprechen für sich!
Jetzt freue ich mich auf die Saisonpause, von der noch 3 Wochen übrig sind, und auf den Urlaub mit der Familie. Eine andere Frage, die mir in der letzten Woche immer wieder gestellt wurde, ist die Frage nach dem, was jetzt kommt. Ehrlich gesagt habe ich nicht die geringste Ahnung. Ich will diese vergangenen drei Jahre erstmal ordentlich verarbeiten und sacken lassen und dann wird man sehen, wo die Reise hinführt. Ich sehe mich nach wie vor weder als Triathlet noch als Ultraläufer, sondern als einen Menschen, der einfach Spaß an Bewegung hat und sich gerne selbst herausfordert!
Das nächste Abenteuer kommt bestimmt!Tom Ischganeit